Von der "Villa Elly" zum Hotel Kiose

100. Jubiläum in Wenningstedt

„Mich hat’s getroffen“, lacht Gorden Kiose. In vierter Generation betreibt er das Hotel Kiose in der Berthin-Bleeg-Straße und feiert in diesem Jahr das 100. Jubiläum des Hauses, das auf eine bewegte Geschichte zurückblickt.

Historische Aufnahme der Villa Elli in Wenningstedt
© Hotel Kiose

Als seine Urgoßeltern Georg und Wilhelmine Kiose 1922 die „Villa Elly“ kauften, vermieteten sie in den Sommermonaten die Zimmer an Feriengäste - und zwar nebenbei: Denn hauptberuflich war Georg Dachdecker.

Schon mit der zweiten Generation wandelte sich der Betrieb in dem 1903 erbauten Haus: Wilhelm „Willi“ Kiose übernahm den Betrieb seiner Eltern 1935 und baute ihn 15 Jahre später zu einem Restaurant und Café aus. Aus den ehemaligen Gästezimmern wurden nun Angestelltenwohnungen. Der Bedarf an gastronomischen Angeboten auf Sylt war groß und so wurde das Restaurant 1955 noch einmal erweitert.

„Wir hatten damals auf etwa 300 qm 170 Sitzplätze im Innenbereich und noch einmal 30 Plätze auf der Terrasse“, weiß Gorden Kiose zu berichten. „Meine Großeltern beschäftigten 21 Mitarbeiter und schickten bis zu 780 Essen am Tag.“ Auf der Speisekarte standen gutbürgerliche Gerichte wie Schnitzel, Sauerfleisch, Seezunge oder Matjes. „Rote Grütze mit Sahne durfte damals nicht fehlen“, erzählt der gelernte Koch und Hotelbetriebswirt. „In der hauseigenen Konditorei wurden die Kuchen gebacken und wir haben eigenes Eis hergestellt - mit Sahne statt Milch. Von so einer Qualität träumt man heute!“

Ein besonders einträgliches Geschäft waren in den 1950er Jahren die Tagestouristen: „Es gab damals mehrere Busunternehmen, die täglich von Büsum aus die Insel ansteuerten. Die parkten dann direkt vor dem Haus und brachten mit einem Schwung 50 Gäste ins Café“, berichtet Gorden Kiose vom Geschäftsmodell aus der Zeit seiner Großeltern.
„Das lief in dieser Form gut bis in die 1980er Jahre hinein, dann war das Konzept überholt - da musste etwa neues her.“

Außenansicht des Hotel Kiose an einem sonnigen Tag im Spätsommer
© Jasmin Heimberger

Wie gut, dass die dritte Generation mit frischen Ideen schon bereit stand: 1979 hatte Gordens Vater Hans-Georg Kiose den Betrieb übernommen. Er legte den Fokus nun wiederum auf das Übernachtungsgeschäft und baute das Haus zum Hotel um, das 1987 eröffnet wurde. Dreißig Betten gab es zu der Zeit, verteilt auf dreizehn Doppel- und vier Einzelzimmer. Das Restaurant hingegen wurde auf sechzig Plätze reduziert.

Und während das Hotel damals ganz modern daherkam mit Badezimmern in jedem Zimmer, befand sich auf dem familieneigenen Grundstück zum Mittelweg hin noch ein Gästehaus aus den 1950er Jahren. „Das hat sich erstaunlich lange hoher Beliebtheit erfreut. Auch nachdem das Hotel eröffnet war, wollten viele Gäste lieber dort urlauben - und das hatte nichts mit den Preisen zu tun. Ich erinnere mich an einen Firmenchef, der partout nicht ins Hotel gehen wollte, weil er sich so an das Gästehaus gewöhnt hatte.“ 1992 war dann allerdings Schluss mit Etagendusche & Fünfzigerjahre-Flair: Das alte Gästehaus wich einem modernen Apartmenthaus.

„Zu der Zeit war dann auch das Restaurant bereits geschlossen. Mein Vater betrieb aber noch eine kleine Bierbar, die er in die ehemalige Kartoffelküche einbauen ließ. Dort gab es für jeden neu anreisenden Gast um 18.00 Uhr ein Begrüßungsgetränk und viele Informationen über die Insel - außer montags, da war er beim Kegelclub.“, schmunzelt der sympathische Hotelier.

Gorden Kiose sitzt in einem Strandkorb auf der Terrasse seines Hotels
© Jasmin Heimberger

Die vierte Generation: Gorden Kiose übernimmt

Er selber arbeitet seit 1995 aktiv im Betrieb mit, 2005 übernahm er das Hotel schließlich von seinem Vater - und erfand das Hotel Kiose abermals neu: „Mir haben Coffeeshop-Konzepte wie beispielsweise Balzac in Hamburg damals sehr gut gefallen. Die Offenheit nach draußen, das Speiseangebot - das wollte ich hier auch.“
Gesagt, getan: 2006 eröffnete das Bistro JoJo - benannt nach seinen Söhnen Joel und Jona. Das Konzept geht auf, das JoJo wird sowohl von Hotelgästen als auch von Außer-Haus-Gästen gern besucht.
2013 allerdings schließt Gorden Kiose sein Bistro. „Auch damals schon fehlte einfach das Personal. Da warte ich gerade auf bessere Zeiten. Wer bei mir anfängt, tut das nicht, weil er ein bisschen nebenbei jobben will, sondern weil er aus sich heraus Gästen etwas Gutes tun will. Da gehört ein bisschen Idealismus dazu.“ Und so bleibt der Herd im Haus Kiose vorerst kalt - mal abgesehen vom Frühstück, das seine langjährigen Mitarbeiterinnen täglich zaubern.

Damit der Familienbetrieb wieder auf zwei gesunden Beinen steht, gründet er 2010 den JoJo Fahrradverleih - ausschließlich mit E-Bikes. „Damit waren wir damals Vorreiter! Wir hatten auf einen Schlag 50 E-Bikes in der Vermietung und der Fahrradverleih ist bis heute ein wichtiger Geschäftszweig.“, erzählt der findige Geschäftsmann, der seit 2020 auch E-Scooter als Sharing-Modell anbietet. Den kleinen Rollern gegenüber war er zunächst allerdings recht skeptisch eingestellt: „Ich konnte mir nicht vorstellen, mit dem Scooter beispielsweise nach List zu fahren, bis ich es selber mal probiert habe und festgestellt habe: Das ist mega! Das ist für mich wie Meditation. Ich habe viel viele Gäste, die mir sagen, dass es ihr Urlaubshighlight war, mit den Scooter durch die Dünen nach List zu fahren. Man schweb dahin, geräuschlos…“

Bis zu 100 der Roller stehen inselweit an den Straßen und können für kürzere oder längere Strecken genutzt werden. Als nächstes plant Gorden Klose übrigens ein Bike-Sharing Konzept - dann muss man ein Rad nicht mehr tageweise ausleihen, sondern kann auch nur einzelne Strecken damit zurück legen.

Und was ist sonst noch für die Zukunft geplant?
„Kurz gesagt: Immer weiter! Wir wollen in den Betrieb investieren, um zukunftsfähig zu bleiben. Ich plane auch, die Gastronomie in der einen oder anderen Form wieder zu eröffnen. Es gibt neue Marktbedingungen, Personalmangel und Inflation. Was kann man den Gästen unter diesen Bedingungen anbieten? Wie kann man Gastronomie nachhaltig ausbauen? Das sind alles Fragen, die ich mir gerade stelle und vielleicht entsteht daraus ein neues Konzept…“, sinniert Kiose, der sich ganz bewusst nur an vier Tagen im operativen Hotelgeschäft einteilt, um in der übrigen Zeit an neuen Ideen und Konzepten tüfteln zu können.

Ob der Betrieb auch noch eine fünfte Generation Kiose erleben wird? Zumindest die Perspektive, dass das Hotel in Familienhand bleibt, gibt es: Kioses jüngster Sohn macht gerade seine Ausbildung zum Hotelfachmann in Hamburg. „Ich weiß, dass unsere Gäste es sehr schätzen, in einen der letzten Familienbetriebe im Ort zu wohnen. Es ist aber natürlich nicht selbstverständlich, dass es so weiter geht. Das müssen die Kinder später selber entscheiden. Wir würden uns freuen. Und mit „wir“ meine ich mich und meine Väter.“, lacht er. „Es wäre schade, das Familienunternehmen aufzugeben. Aber wir werden sehen…“

Angst vor der Zukunft hat Gorden Kiose jedenfalls keine: „Das Schiff Kiose hat in den letzten Jahrzehnten schon viele Stürme erlebt - Da blicke ich optimistisch auf das, was noch kommt.“

Eine kleine Chronik des Hotel Kiose

  • 1922
     
    Historische Aufnahme der Villa Elli in Wenningstedt © Hotel Kiose

    1. Generation

    Georg und Wilhemine Kiose kaufen die 1903 erbaute "Villa Elly" und vermieten in den Sommermonaten Gästezimmer

     

  • 1935
     

    2. Generation

    Wilhelm „Willy“ Kiose übernimmt den Pensionsbetrieb

  • 1950
     

    2. Generation

    Umbau der Pension zu einem Restaurant und Café, die Gästezimmer werden zu Personalunterkünften.

     

  • 1955
     

    2. Generation

    Das Restaurant wird erweitert, es hat nun 170 Innenplätze sowie 30 Terrassenplätze.

    Auf dem Grundstück hinter dem Haus entsteht ein Gästehaus mit Etagenduschen.

  • 1979
     

    3. Generation

    Willis Sohn Hans-Georg Kiose übernimmt den Familienbetrieb.

  • 1987
     

    3. Generation

    Das Restaurant wird verkleinert, der Schwerpunkt liegt wiederum auf der Vermietung.

    Das Hotel Kiose wird eröffnet.

  • 1991
     

    3. Generation

    Das Restaurant wird geschlossen, nur eine Bierbar bleibt noch bestehen.

  • 1992
     
    © Hotel Kiose

    3. Generation

    Abriss des alten Gästehauses und Neubau eines Apartmenthauses auf dem Grundstück hinter dem Haus.

  • 2005 - 2006
     

    4. Generation

    Gorden Kiose übernimmt das Hotel und renoviert das Haus.

    Das Bistro JoJo eröffnet mit einem Kaffee-Konzept.

  • 2010
     

    4. Generation

    Gorden Kiose gründet den E-Bikeverleih JoJo - der erste Fahrradvermieter der Insel, der ausschließlich E-Bikes anbietet.

  • 2020
     

    4. Generation

    Der Radverleih wird erweitert und um ein E-Scooter Sharing ergänzt.

Das Hotel Kiose

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