© Henning Sieverts

Geschichte(n) rund um das stille Herz von Wenningstedt

Ein Spot auf den Dorfteich

Text und Bilder: Frank Deppe

Wellen, die sanft ans Ufer schlagen, Entengeschnatter, raschelnde Schilfhalme im Wind: Der Dorfteich bildet seit jeher das Herzstück von Wenningstedt. Einst diente er als Viehtränke, und auch die Wäsche wurde hier gewaschen. Der Teich war schon lange da, bevor der Fremdenverkehr keimte und sich das Dorf sprunghaft vergrößerte: „Das Dorf Wenningstedt liegt um einen niedlichen See, still und freundlich am Fuße der Dünen und hat jetzt 13 Häuser“, hielt ein Chronist Anno 1860 fest.

Und ein früher Badegast beschrieb 1876 die Idylle: „Am Wenningstedter Teiche schreiten mehrere Störche umher, während ein Fischreiher das flache Wasser durchwatet, am Ufer sitzen muntere Bachstelzen.“ Zu dieser Zeit war der kleine Flusslauf, der einst vom Dorfteich einen Kilometer entfernt ins Meer mündete, bereits von Flugsand verschüttet.

Im Zuge der Festlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen Wenningstedts im Jahre 1959 übertrugen die Eigentümer des Dorfteichs diesen der Gemeinde. Im Schenkungsvertrag vom 8. Juni 1959 heißt es unter anderem: „Der Dorfteich und das umliegende Gelände sind zu einem Erholungsgebiet umzugestalten. Die Gemeinde darf aus der Übertragung keine finanziellen Vorteile ziehen.“ Und: „Die Namen der Schenker sollen in einen Stein eingemeißelt werden, damit das Andenken an den bewiesenen Gemeinsinn erhalten bleibt.“ So ist es geschehen – am östlichen Ufer steht bis heute ein Findling mit den Namen der Gönner.  Längst ist der beschauliche Weiher nicht nur ein Paradies für Wasservögel, sondern auch ein beliebtes Ziel für Spaziergänger. Von einer der vielen Ruhebänke aus kann man das Treiben auf dem Wasser beobachten. 

Seit 2001 setzt zudem eine Seebrücke einen optischen Akzent. Als der durch Schlick zunehmend verlandete Dorfteich trockengelegt und ausgebaggert wurde, installierte die Kurverwaltung einen hölzernen Promenadensteg, der von der Westseite aus 21 Meter weit in den Teich hinein ragte. 2018 wurde die Brücke, auf der mehrere Bänke zum Verweilen einladen, komplett erneuert. Zudem diente die Seebrücke auch schon mehrfach als Kulisse für kirchliche Trauungen unter freiem Himmel. Bei einem Spaziergang um den Dorfteich trifft man auf mehrere Häuser, unter deren Dächern der Hauch der Geschichte weht.

Fassade Hüs Bi Kiar in Wenningstedt auf Sylt
© Frank Deppe

Bei einem Spaziergang um den Dorfteich trifft man auf mehrere Häuser, unter deren Dächern der Hauch der Geschichte weht.

 

 

Historische Ansicht eines Friesenhauses am Dorfteich in Wenningstedt auf Sylt
© Frank Deppe

Das „Witthüs“ wurde zu einem der legendären Künstlertreffs auf Sylt.

(Kopie 1)

Haus Teunis am Ufer des Wenningstedter Dorfteiches
© Frank Deppe

Südwestlich des Dorfteichs etwa steht das Haus Bundis (1), das durch seine aufwändig bemalte Haustür ins Auge sticht. Das Friesenhaus datiert ursprünglich aus dem Jahre 1786 oder sogar noch früher – Eigentümer war damals der Seefahrer Diederich Diederichs, der später auf eine Seereise nach Bordeaux verstarb. 1923 brannte das Haus durch Blitzschlag nieder. Es wurde auf den alten Mauern ohne Scheune neu aufgebaut, auch ein Türflügel der alten Haustür konnte gerettet werden. Markant ist das Kopfsteinmuster des Gehwegs zur Tür, das ein sogenanntes Hexenkreuz zur Abwehr von Unheil aufweist.

Ein Stück weiter erhebt sich westlich des Dorfteichs das 1670 erbaute Haus Johannsen (2). Eigentümer war seinerzeit der Seefahrer Severin Petersen, dessen Schwiegervater der reichste Mann im Dorf war. Petersen stiftete der Keitumer Kirche eine Taufschale aus Messing, die noch heute existent ist. Auch dieses Haus brannte ab, nämlich 1765, wurde wieder aufgebaut und erhielt um 1875 einen neuen Giebel. 1931 warben die Eigentümer in einer Anzeige im Wenningstedter Ferienprospekt um Gäste: „Friesenhaus, schön und ruhig gelegen. Frühstück und einfaches Abendbrot im Hause.“

Auf der östlichen Seite des Dorfteichs stößt man auf halbem Wege auf das traditionsreiche Haus Witthüs (3), frühestens 1679 erbaut und damals im Besitz des Seefahrers Ove Hansen. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Friesenhaus um einen westlichen Anbau erweitert. Bekanntheit erlangte das Haus, als die Schauspielerin Ulle Weber 1953 hier eine Töpferei und die erste Teestube auf Sylt eröffnete. Das „Witthüs“ wurde so zu einem der legendären Künstlertreffs auf Sylt. 1963 lief der Pachtvertrag aus und das „Witthüs“ zog um, der Name aber ist geblieben. Einige Schritte weiter thront südöstlich des Dorfteichs das stattliche Haus „Hüs bi Kiar“ (4) („Haus am Teich“), das Anno 1741 von dem Seefahrer Hans Andresen erbaut wurde. Er verkleidete die Wände in der Stube mit prächtigen Fliesen, die er aus Holland mitbrachte.

Geht es am Wenningstedter Dorfteich üblicherweise lauschig zu, so schlagen die (Stimmungs-)Wogen hier einmal im Jahr hoch: Dann treffen sich die Wenningstedter und ihre Gäste zum traditionellen „Dorfteichfest“, das 2018 just sein 40-jähriges Jubiläum feierte.
Aus der Taufe gehoben hatten es einst die Wenningstedter Bürger Herwig Faierson, Ruth Dieckmann und Fritz Hermann. „Mit Tapeziertischen, Bollerwagen und Sonnenschirmen hatten wir ganz klein angefangen“, erinnert sich Herwig Faierson noch genau.

Längst ist aus dem zarten Sprössling eine kräftige Pflanze gewachsen. Jedes Jahr präsentieren Einheimische, Künstler und Vereine beim „Dorfteichfest“ ein buntes Angebot, dazu gibt es ein Programm für Kinder und leckere Speisen nebst Getränken. Zu den liebgewonnen Programmpunkten gehören heute unter anderem die Vorführungen der Sylter Schiffsmodellbauer, die „Gute- Nacht-Geschichten“ in der Friesenkapelle sowie die Auftritte des Gospelchors „Island Voices“, des Sylter Shanty Chors und des Norddörfer Musikvereins.

Die Besucher versammeln sich für das Entenrennen um den Dorfteich
© Georg Heimberger

Dieser Artikel erschien ursprünglich in unserem Magazin

 

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