© Maike Hüls-Graening

Best coffee plus Schnack

Die Kurve lebt - Part 1

Text und Bilder Imke Wein

Sich dem Kreativen und Individuellen zu verschreiben, dafür stand das kleine beschauliche Braderup schon in den 70er Jahren. Keitum und Morsum können ebenfalls auf eine solche Tradition verweisen. Aber Braderup noch eindeutiger. Der kleine Ortsteil am Watt ist frei von Label-Boutiquen, dafür ist mehr Platz für alternative Lebensformen, für Ursprüngliches, Ganzheitliches, Künstlerisches und Kreatives. Braderup beschert mit seiner Natur und seiner kleinen, feinen touristischen Infrastruktur den Luxus der anderen Art, den Luxus der leisen Töne. Einen, der auch die Seele erreicht.

In der Braderuper Kurve, in der großen Reetdach-Stall Scheune neben dem „Weißen Kliff“ ist dieser Spirit seit den 70er Jahren zuhause. Und hat jetzt mit zwei Adressen eine neue Dynamik gewonnen…

Ob das XS-Minilokal jetzt „Kaffeekurve“ oder „Café Curve“ heißt, war im November 2019, am Ende der ersten Saison, noch nicht 100-prozentig klar. Im Zeitalter von langfristig angelegten Marketingstrategien und brillanten Businessplänen gibt es jedenfalls absolut nichts Erfrischenderes als ein Café, das unter Syltern schon jetzt zu den Lieblingsspots gehört, dessen Schreibweise aber noch nicht abschließend geklärt ist. Weil nämlich ein Freund der Jungunternehmer ein so schönes Logo mit „C“ gemacht hat, aber das andere sich schon eingebürgert hat. Und außerdem sollte das Ganze ohnehin erst „Café León“ heißen – nach dem ersten Sohn des Gastgeber-Ehepaares. 

Na, man wird sehen. Denn ein wenig Anarchie, Laissez-Faire und Postfaktisches tut Sylt so gut. Vor allem, wenn der Kaffee so schmeckt wie hier und die Menschen, die man trifft, so nett sind. Wenn die Idee stimmt und die Betreiber vom eigenen Konzept überzeugt sind. „Die beste Werbung ist ohnehin die, die keine Werbung ist oder zumindest solche, die ohne Anstrengung entsteht, aus sich selbst heraus“, heißt David Behrens gewagte These, und dabei zaubert er einen köstlichen Café Cortado mit seiner 1a-Siebträgermaschine. Zusammen mit seiner höchst gastronomieerfahrenen Frau Sarah Kaiser haben die zwei ein wenig des neuen, entspannten Metropol-Spirits mit nach Sylt gebracht. Einer, der wieder Herzensangelegenheiten und Ideelles in den Mittelpunkt stellt, und nicht materielle Interessen. Im Falle des „Café Curve“ (wir schreiben es jetzt mal so) kommt noch ein großes Pfund an Syltliebe und Syltkenntnis dazu. 

Kaffee aus der Siebträgermaschine im Café Curve in Braderup auf Sylt
© Maike Hüls-Graening
Fassade der Scheune in Braderup auf Sylt
© Maike Hüls-Graening

David war mit den unterschiedlichsten Projekten in der Berliner Skate- und Clubszene selbstständig und betrieb auch eine Crêperie. Er ist gebürtiger Sylter und seiner Insel sehr verbunden. Seine Mama Helga baute in der Scheune die „Ledermanufaktur“ auf, seine Oma war eine Schlüsselfigur im Westerland der Nachkriegszeit, sein Bruder Willi und Vater Christian fertigen nebenan in der Manufaktur aus naturbelassenem Leder die schönsten Kostbarkeiten. Der Antiquitätenladen im Haus zog aus und der Familienbetrieb konnte sich um eine sehr gesellige Facette erweitern. In der ersten Saison zeigten sich gerade die Sylter begeistert von einem neuen Hot- Spot für exzellenten Kaffee auf Sylt. Klar, es gibt seit vier Jahren am Rantumer Hafen die Rösterei von Christian Appel (auch ein Sylt-Heimkehrer) und in der „Crêperie de Luxe“ an der Wilhelmine ist der Kaffee auch so gut wie sonst allerhöchstens in der Lieblingsbar in Spanien oder in Italien. Aber ein kleiner Ort, um sich für eine Weile aus der Welt zurückzuziehen und sich mit Haut und Haar an guten Röstaromen und an der Idylle zu erfreuen, das fehlte genau hier. 

Wie alle Kaffeefreaks lässt auch David in Bezug auf sein Herzensprodukt keinen Zweifel zu: „,Mr. Hoban’s’ Kaffee aus Hamburg – das ist der Beste“, meint der junge Vater nachdrücklich. Wenn es auch für einen Superlativ beim Urteil aus Kenntnismangel nicht reicht – köstlich ist der Kaffee hier allemal. In der Kombi mit den interessanten Gästen vor der Tür, vor der Bar oder in der kleinen Sitzecke, ist das eine beinahe unschlagbare Mischung fürs Herz. Für 2020 wollen Sarah und David noch ein wenig am Konzept drehen: Es soll dann winzige Köstlichkeiten aus Schokolade und auch deftige Petitessen geben. Nur zu – Hauptsache, es bleibt so nett und so besonders im neuen Lieblings-Café in der Kurve.

 

Dieser Artikel erschien ursprünglich in unserem Magazin

 

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